Vom Urlaubswunsch zum Zwangsurlaub?

Arbeitgeber stehen seit dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes vom 13.12.2016 (Az. 9 AZR 541/15) vorläufig vor der Frage, ob Sie ihre Mitarbeiter möglicherweise in Zwangsurlaub schicken müssen, wenn diese nicht selbst aktiv Urlaub beantragen.

Gesetzliche Regelung im Bundesurlaubsgesetz

Die Regelung im Urlaubsgesetz scheint bisher eindeutig: Arbeitnehmer können Urlaub beantragen. Wenn keine dringenden betrieblichen Gründe oder vorrangige Urlaubswünsche anderer Mitarbeiter entgegenstehen, ist er wunschgemäß zu gewähren. Eine Übertragung von Resturlaub in das erste Quartal des Folgejahres ist nur geschuldet, wenn (beantragter) Urlaub aus dringenden betrieblichen oder aus persönlichen Gründen (insb. Krankheit) nicht genommen werden kann. Im Ergebnis bedeutete das, dass der Urlaubsanspruch dann am Ende des Urlaubsjahres verfällt, wenn ein Arbeitnehmer ihn nicht beantragt hat. Eine Ausnahme gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (in europarechtskonformer Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes) allerdings bei Langzeiterkrankung. Hier verfallen Urlaubsansprüche erst 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres.

Zweifel des Bundesarbeitsgerichts, Vorlage zum Europäischen Gerichtshof

Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts München ist ein nicht gewährter Urlaub abzugelten, wenn er vom Mitarbeiter nicht rechtzeitig vor Ende des Beschäftigungsverhältnisses (am Jahresende) beantragt wurde. Auf die Revision des Arbeitgebers hin legte das Bundesarbeitsgericht nun dem Europäischen Gerichtshof die Frage vor, ob der Urlaub zum Jahresende verfällt, wenn ein Arbeitnehmer ihn nicht aktiv beantragt hat.

Arbeitgeber dürfen sich spätestens seit diesem Vorlagebeschluss des Bundearbeitsgerichts nicht weiter darauf verlassen, dass –wie nach dem Wortlaut des Gesetzes anzunehmen wäre –ein Urlaubsanspruch bei fehlendem Urlaubsantrag „stillschweigend“ verfällt.

Unterschiedliche Regelungen für gesetzlichen und vertraglichen Urlaub zulässig 

Im Bundesurlaubsgesetz ist der gesetzliche Mindesturlaub von 24 Werktagen geregelt. Insoweit besteht für jeden Arbeitnehmer ein unverzichtbarer Anspruch, der nach den Regeln des Gesetzes geltend zu machen und zu gewähren ist. Andernfalls entsteht ggf. ein Abgeltungs- oder Schadenersatzanspruch.

Vom Gesetz abweichende Regelungen für Urlaub, sein Entstehen, für Teilurlaub, Verfall und Abgeltung, sind jedenfalls für übergesetzliche Urlaubsansprüche (mehr als vier Wochen) möglich. Dafür bedarf es aber klarer Vereinbarungen im Arbeitsvertrag oder im Tarifvertrag. Andernfalls wird nicht zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und darüber hinausgehendem Urlaubsanspruch unterschieden und die gesetzlichen Regelungen (bzw.  die obergerichtliche Rechtsprechung) gelten einheitlich für den gesamten Urlaub.

Wo keine zwingenden Tarifverträge gelten, können Arbeitgeber in Arbeitsverträge Regelungen aufnehmen, nach denen jedenfalls für übergesetzliche Urlaubsansprüche abweichende Voraussetzungen für den Verfall des Urlaubs gelten.

Handlungsempfehlung für Arbeitgeber

Wie bisher, sollten Mitarbeiter frühzeitig aufgefordert werden, ihre Urlaubswünsche in einem Urlaubsplan einzutragen, damit eine Festlegung unter Berücksichtigung der betrieblichen und persönlichen Interessen erfolgen kann.

Mitarbeiter, die sich nicht eintragen, können  aufgefordert werden, dies nachzuholen. Allein der Hinweis auf die Eintragungsmöglichkeit führt aber nach Meinung des LAG München nicht dazu, dass der Urlaub zum Jahresende verfällt. Ob diese Entscheidung Bestand hat, häng nun – nach dem o.g. Vorlagebeschluss des BAG von den Richtern des Europäischen Gerichtshofes ab.

Zur Begrenzung des Kostenrisikos für Abgeltungsansprüche können Arbeitgeber in Arbeitsverträgen jedenfalls differenzierende Regelungen für übergesetzlichen Urlaub aufnehmen.

Zwangsbeurlaubung zur Vermeidung von Schadenersatzansprüchen?

Im Fall einer bevorstehenden Vertragsbeendigung kann der Arbeitgeber Mitarbeiter regelmäßig unter Anrechnung auf offene Urlaubsansprüche von der Arbeitsleistung freistellen

Achtung: Eine bloße – auch wiederholte – Aufforderung, Urlaub zu beantragen, genügt möglicherweise nicht.

Geht das auch im laufenden Arbeitsverhältnis?

Die offene Rechtsfrage (s.o.) legt die Notwendigkeit solcher Zwangsbeurlaubung – jedenfalls im Hinblick auf den gesetzlichen Mindesturlaub – ggf. nahe. Wenn ein Mitarbeiter – trotz Hinweis auf den anzumeldenden Urlaub- keinen Urlaubsantrag stellt, sollte der Arbeitgeber ihn von sich aus zur Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs freistellen.

Nicht ausgeschlossen ist die Verwirkung eines Teilurlaubs, wenn ein Mitarbeiter trotz Beurlaubung zur Arbeit erscheint.

Achtung: Eine rückwirkende „Umwidmung“ arbeitsfreier Tag als Urlaubstage ist grundsätzlich nicht möglich. Urlaub ist nur bezahlte Freizeit, die als solche gewährt wurde und nicht auf Feiertage oder Tage mit nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit fällt.

Welche Möglichkeiten haben Arbeitnehmer?

Urlaubsabgeltungsansprüche können beim Arbeitsgericht eingeklagt werden. Möglicherweise sind aber dabei – insbesondere für übergesetzlichen Urlaub – vertragliche oder tarifvertragliche Ausschlussfristen zu beachten.

Wer keinen Rechtsschutz für die Anwaltskosten hat, muss dieses allerdings – auch wenn er den Prozeß gewinnt – selbst tragen. Rechtzeitige Urlaubsanträge sind da allemal billiger.